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in die Schranken getreten sind: so erscheint doch, leider! dieser
ganze Kampf hoffnungslos, das Französische, die Sprache der
Regierung, der Gerichtshöfe und fast aller Gebildeten, gewinnt
täglich mehr Boden, besonders auch durch den Einfluß der Haupt-
stadt Brüssel, die in jeder Beziehung ein Klein-Paris sein will
und die von den Franzosen, mit Anspielung auf den früher in
Belgien gesetzlich erlaubten Bücher-Nachdruck, une contrefaçon de
Paris genannt wird. Ursprünglich ist auch Brüssel ganz „vlamsch"
und die Sprachscheide des Flamändischen und Französischen
(Wallonischen) liegt nicht in Brüssel, wo freilich die obere Stadt
als Sitz der vornehmen Welt vorwiegend französisch ist, sondern
südlich von Brüssel bei Petit-Enghien (Lüttlingen) und auf dem
Schlachtfelde von Belle-Alliance, südlich des Dorfes Waterloo.
— In der neuesten Zeit jedoch ist eine starke geistige Bewegung
zu Gunsten ihrer Sprache unter den Flamändern hervorgetreten.
Im Jahre 1856 sah sich die Oiegierung genöthigt, zur Unter-
suchung der Klagen der Blamingen eine besondere Commission
einzusetzen. Die Verfassung nämlich erklärt den Gebrauch der
Sprachen für frei und unbeschränkt. Nun aber findet sich in
den Ministerien, bei den Kammern, in den Provinzial- und
Gcmeinderäthen, in den Schulen, in den Gerichtshöfen, im
Heere, überall nur die französische Sprache. Nicht ohne Bedeutung
ist gewiß der Umstand, daß jetzt die feurige und wissenseifrige
Jugend der Universitäten für die wesentlich nationale flämische
Sache in die Schranken tritt. In der Tagespresse dagegen steht
die flämische Sprache gegen die französische ganz außerordentlich
zurück und in ganz Belgien giebt es kein täglich erscheinendes
flämisches Journal; der Stand der so einflußreichen periodischen
Presse war 1856 folgender: in 4 Provinzen (Hennegau, Lüttich,
Namur und Luxemburg) erschienen gar keine Journale und perio-
dische Schriften in flämischer Sprache, in Brabant auf 65 Zei-
tungen und Zeitschriften nur 2 flämische; dagegen in der Provinz
Antwerpen 13 auf 20, in Westflandern 25 auf 40, in Ostflan-
dern 21 auf 33 und in Limburg 4 auf 7.
Staatsverfassung. Die belgische Verfassung, constitutio-
nell-monarchisch und eine der freiesten Europas, ist theils der
holländischen, theils aber noch mehr der nordamerikanischen
ähnlich: wie in Nordamerika werden beide Kammern vom Volke
gewählt; und nicht nur die Namen Congreß, Senat und
Repräsentantenkammer sind dieselben, sondern auch die Ver-
sammlungs-Locale in Brüssel erinnern an die im Capitol zu
Washington.
TM Hauptwörter (50): [T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T53: [Frankreich Stadt Loire Paris Rhone Garonne Maas Lyon Orlean Hauptstadt], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung]]
Extrahierte Personennamen: Brüssel
Extrahierte Ortsnamen: Belgien Paris Brüssel Belgien Hennegau Namur Luxemburg Brabant Antwerpen Westflandern Ostflan- Limburg Europas Nordamerika Brüssel Washington
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nicht der Centralisationseifer der Regierung die Provinzen
lediglich zu Attributen der Hauptstadt gemacht hätte. Frank-
reich zählt nämlich auf 10,000 Geviertmeilen gegen 36 Mil-
lionen Einwohner, von denen auf Paris allein mehr als eine
Million kommt. Die größte Stadt nächst Paris, Lyon, hat nur
etwa ein Fünftel dieser Anzahl. Aber nicht dies numerische Ueber-
gewicht der Bewohner allein stellt die Provincialstädte so in Schat-
ten, sondern vielmehr die Erdrückung aller Selbstverwaltung der
Provincialgemeinden durch den die ganze, lediglich von der Haupt-
stadt ausgehende, Verwaltung durchziehenden Mechanismus. Hier-
mit fehlt Frankreich die notwendige Grundlage einer wahren
Repräsentativverfassung, nämlich die auch in den individuellen
Kreisen des Staatslebens, in den einzelnen Gemeinden lebendig
gewordene Idee der Freiheit, es fehlt ihm eine Landgemeinde-
verfassung und eine Städteordnung. Die Theilnahme an dem
jedem Staatsbürger nächsten Kreise seines Daseins muß erst in
ihm erweckt und gesichert sein, von diesem Grunde aus muß sie
die einzelnen und besondern Sphären des Staatsganzen durch-
dringen, ehe sie die Festigkeit wahrhaft allgemeiner Volksvertretung
erlangen kann. Den administrativen Staatsmechanismus haben
die Franzosen als ein Mischvolk vom alten an der Thalassa groß
gewordenen Römerreich überkommen; die wahrhafte Volksvertre-
tung in der constitutionellen Monarchie ist den Germanen Vor-
behalten.
Hiermit ist auch die Stellung der Hauptstadt Paris
zu den Provinzen erklärt. Jede Hauptstadt soll die Mitte des
Staates sein. In dem mechanischen Staate ist sie aber die alle
provincielle Lebendigkeit auszehrende, in dem organischen Staate
ist sie die eignes Leben den Provinzen mitthcilende Mitte. Dort
ist sie unwahres, abstractes Centrum, hier das wahre, von dem
Leben der Provinzen getragene, peripherisch sich ihnen zurück-
gebende; dort herrscht die Selbstsucht der bloßen Centralisation,
hier zugleich die jene Selbstsucht fort und fort negierende, inr
Negieren stets neues Leben anfachende Decentralisation, gleichwie
im Kreis der Mittelpunkt seine Radien aus sich entläßt und sie
wieder in sich zurücknimmt. Ganz anders Paris. Vor ihm ver-
schwindet gewissermaßen die Selbständigkeit anderer Städte. Paris
dominiert. In Paris, so lautet eine Stimme aus Paris, gebe
es Stadtgesetze, Stadtbewegungen, Stadtrevolutionen, wie
im alten Rom, aber keine Einrichtungen, die für ein ganzes Land
paßten, keine, welche dem ganzen Frankreich zur Wohlfahrt ge-
deihen könnten. Deshalb wird in den Provinzen Paris mit Groll
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Extrahierte Ortsnamen: Paris Paris Lyon Frankreich Paris Paris Paris Paris Rom Frankreich Paris
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Flotte hat ihre Werfte und Häfen in Norwegen, und nur mit
Norwegern darf sie bemannt werden. Ohne das Gutachten der
norwegischen Regierung darf der König keinen Krieg anfangen.
— Das Volk übt die gesetzgebende Macht vermittelst des Stor-
things, das aus 2 Abtheilungen besteht, einem Lagthinge und
einem Odelsthinge, aus. Dasselbe wird von den norwegischen
Bürgern, die ihr 25. Jahr zurückgelegt haben, gewählt. Die Re-
präsentanten müssen wenigstens 30 Jahre alt sein. In der Regel
versammelt sich das Storthing im Februar jedes dritten Jahres.
Jedes Gesetz wird zuerst im Odelsthinge vorgeschlagen; wird es
dort angenommen, dann gelangt es an Lagthing. Nehmen beide
Versammlungen den Beschluß an, und tritt der König bei, so
wird er Gesetz. Versagt der König die Sanction, und beharrt
das Storthing auch nach dem zweiten und dritten ordentlichen
Storthinge bei dem Beschlüsse, so wird er auch ohne Genehmi-
gung des Königs zum Gesetz erhoben. — Die allgemeinen Be-
stimmungen gewähren Preßfreiheit und verbieten Hausinqnisitio-
nen außer in criminalen Fallen. Die Rechtspflege ist öffentlich.
Es dürfen keine Grafschaften, Baronien, Stammhäuser oder Fidei-
commisse errichtet werden. Jeder Staatsbürger ist der Wehrpflicht
unterworfen. Norwegen behält seine eigene Bank und sein eigenes
Geld- und Münzwesen. Verfassungsänderungen dürfen nur durch
das Storthing vorgenommen werden, und zwar müssen 2/3. des-
selben für eine Veränderung stimmen, und darf diese niemals
den Principien des Grundgesetzes widerstreben.
Nach Th. M ü g g e.
4. Lebensbilder aus Island.
Island im unwirtlichen nördlichen Oeean, 120 Meilen von
der norwegischen, 27 von der grönländischen Küste entfernt, läßt
kein Paradies erwarten. Zwar in den Thülern, welche gegen
das Meer hin sich öffnen, von kurzen, aber wasserreichen Flüssen
durchströmt, macht der dichte kräftige Graswuchs die Zucht von
kleinen Pferden, Rindern und Schafen möglich. Die Gärten
bringen Kohl, Rüben, Kresse, Salat, auch hier und da Kartoffeln
hervor. Das Rennthier, welches vor hundert Jahren von Nor-
wegen hieher verpflanzt wurde, durchstreift in großen Herden die
Insel. Das Meer mit seinen Felsenklippen liefert Fische und
Vögel in Menge. Aber einen wirklichen Baum sucht das Auge
vergeblich, und in den günstigsten Jahren bleibt die Vegetation
ein Bild der Armut. Und selbst diese sparsamen Hülfsquellen
der kleinen Einwohnerzahl sind nicht gesichert: von der einen
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T62: [Insel Stadt Hafen England Hauptstadt Einw. See London Handel Schottland], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau]]
TM Hauptwörter (200): [T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T160: [Insel Hafen Meer Küste Stadt Halbinsel Neapel Straße Einw. Hauptstadt], T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
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Mähen und Dreschen, billiger und besser als Menschenhände. Daher
haben sie Tausende non Arbeitern überflüssig gemacht, aber ebenso vielen
in den von ihnen ins Leben gerufenen Fabriken und au den Eisenbahnen
neue Arbeit verschafft. Auch in unserm Regierungsbezirk bestehen große
imd blühende Fabriken.
60. König Friedrich Wilhelm Iv.; 1840—1861.
1. Getäuschte Hoffnungen. Friedrich Wilhelm Iv. war der älteste
Sohn Friedrich Wilhelms Iii. und der Königin Luise. Er war hoch-
begabt, für die Macht und Ehre Deutschlands begeistert; daher setzte
das deutsche Volk große Hoffnung ans ihn. Schon beim Beginn der
Befreiungskriege hatte der Dichter Arndt dem deutschen Volke zugerufen:
„Was ist des Deutschen Vaterland? Das ganze Deutschland soll es
sein." Aber beim Friedensschluß wurde die Einheit Deutschlands und
die Kaiserwürde nicht wiederhergestellt; doch war die Hoffnung, daß
der im Kyffhäuser schlafende Barbarossa das Reich in alter Herrlichkeit
wieder ausrichten werde, nicht erstorben. Studenten und Turner suchten
den Einheitsgedanken zu verwirklichen; aber mancher von ihnen hat da-
für im Gefängnis büßen müssen. Als 1848 in Paris zum drittenmal
eine Revolution ausbrach, belebte sich die Hoffnung des deutschen Volkes
aufs neue. Seine Abgeordneten versammelten sich in Frankfurt a. M>,
berieten eine Verfassung, welche in ganz Deutschland gelten sollte, und
wählten Friedrich Wilhelm Iv. von Preußen zum deutschen Kaiser.
Doch dieser sagte: „Ich kann die Kaiserkrone nur annehmen, wenn auch
die deutschen Fürsten damit einverstanden sind." Deren Einwilligung
war aber nicht zu erreichen, deshalb scheiterte das Einigungswerk. Mit
Recht sprach Friedrich Wilhelm: „Die Kaiserkrone kann nur ans dem
Schlachtfelde gewonnen werden."
2. Die preussische Verfassung. Um Preußen hat Friedrich Wil-
helm sich große Verdienste erworben. Er gab dem Lande 1850 eine
Verfassung, in welcher die Rechte des Königs, sowie die Rechte und
Pflichten der Staatsbürger genau bestimmt sind. Seit dieser Zeit hat
das Volk wieder Anteil an der Gesetzgebung. Alle neuen Gesetze, jede
Einnahme und Ausgabe des Staates bedürfen der Genehmigung des Land-
tages, der aus dem Herrenhause und dem Abgeordnetenhause besteht.
Die Mitglieder des Herrenhauses werden von dem Könige berufen, die
des Abgeordnetenhauses vom Volke alle fünf Jahre ncugewählt. — Ge-
treu seinem Wahlspruche: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn
dienen" sorgte der König väterlich für Schule und Kirche; er hat über
800 Kirchen neubauen lassen. Um den aufblühenden Handel auch im
Auslande schützen zu können, begann er die Gründung einer Flotte,
und damit diese auch an der Nordsee einen Zufluchtsort habe, kaufte er
von Oldenburg ein Gebiet an der Jademündung, wo er den Kriegs-
Hafen^ Wilhelmshaven anlegte. Nachdem der Fürst von Hohenzollern
das Hohenzollernsche Stammland an Preußen abgetreten hatte, baute
Friedrich Wilhelm die alte Stammburg seines Geschlechts neu auf.
61. König Wilhelm I.; 1861—1888.
1. Seine Jugend. König Wilhelm, der zweite Sohn Friedrich
Wilhelms Iii. imb der Königin Luise, wurde am 22. März 1797 ge-
TM Hauptwörter (50): [T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land]]
TM Hauptwörter (200): [T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T157: [Friedrich Wilhelm Iii Kaiser König Karl groß Preußen Kurfürst Jahr], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm_Iv. Friedrich Wilhelm_Iv. Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Arndt Barbarossa Barbarossa Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wil- Friedrich Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Wilhelm_I. Wilhelm Friedrich
Wilhelms Friedrich Wilhelms
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Deutschlands Paris Frankfurt Deutschland Nordsee Oldenburg Wilhelmshaven
80
Bismarck in den Fürstenstand erhoben und zum Reichskanzler ernannt.
Schon nach drei Wochen konnte die vorn Reichstage beratene Verfassung
des Deutschen Reichs veröffentlicht werden. Das Deutsche Reich umfaßt
alle deutschen Länder außer Österreich und hat etwa 54 Millionen Ein-
wohner. Alle Truppen des Reichs stehen unter dem Oberbefehl des
Kaisers: er vertritt das Reich anderen Völkern gegenüber und schließt
Bündnisse mit ihnen. Die Reichsgesetze werden gemeinsam von dem
Bundesrat und dem Reichstage gegeben. Der Bundesrat, dessen Vor-
sitzender der Reichskanzler ist, besteht aus den Vertretern der verbündeten
Fürsten und freien Städte, der Reichstag aus Abgeordneten, welche vom
Volke alle fünf Jahre neu gewählt werden. Die Gesetzesvorlagen werden
meistens vom Bundesrat ausgearbeitet; sobald sie vom Reichstage und
Bundesrat angenommen sind, heißen sie Gesetze; sie werden vom Kaiser
unterschrieben, bekannt gemacht und ausgeführt. Reichsgesetze gehen den
Landesgesetzen vor.
70. Kaiser Wilhelms -es Großen Lebensabend.
1. Erstarkung des Reichs. Noch 17 Jahre lang ist es Kaiser-
Wilhelm vergönnt gewesen, das Deutsche Reich in Frieden zu regieren
und weiter auszubauen. Zum Schutze desselben wurde nicht nur das
Reichsheer vergrößert, sondern auch eine deutsche Flotte gegründet, die
unter alleinigem Oberbefehl des Kaisers steht. Kiel und Wilhelmshaven
wurden Reichskriegshäfen; zu ihrer besseren Verbindung erbaute man
den Kaiser Wilhelms-Kanal. Im ganzen Reiche wurden eine einheitliche
Nechtspsiege sowie gemeinsame Münzen, Maße und Gewichte eingeführt.
Das Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesen wird vom Reiche ver-
waltet; im ganzen Reiche gelten dieselben Portosätze. Stephan, der erste
deutsche General-Postmeister, ries den Weltpostverein ins Leben, der säst alle
Staaten der Erde umfaßt. Auf dem kleinsten Dorfe hängen Briefkasten
zur Ausnahme von Briefen; überall werden die Briefe täglich mindestens
einmal bestellt. Deutschland war unter Kaiser Wilhelm im Anslande
hochgeehrt; der deutsche Kaufmann konnte daher dort seine Waren leicht
absetzen; infolgedessen blühten Deutschlands Handel und Gewerbe rasch
empor. Im Vertrauen auf den Schutz des Reichs gründeten deutsche
Kaufleute in Afrika und im großen Ocean Kolonieen, die unter den
Schutz des Reichs gestellt wurden und zusammen fünfmal so groß sind
als das Mutterland.
2. Sorge für die Arbeiter. Das blühende Gewerbe vermehrte
rasch die Zahl der Fabriken. Scharenweise strömten die Arbeiter, von
den hohen Löhnen angelockt, in die Fabrikstädte, so daß es dem Land-
mann an Arbeitskräften fehlte, während sie in der Stadt nicht immer
verwandt werden konnten. Oft fehlte es in der Stadt an Wohnungen;
manche Arbeiter erlagen auch den Verführungen der Stadt, und die
wenigsten dachten daran, für die Zeit der Arbeitslosigkeit, Krankheit
oder des Alters sich einen Sparpfennig zurückzulegen. Wohlwollende
Fabrikbesitzer, wie Krupp in Essen, die kaiserlichen Werften, die Georgs-
Marienhütte u. a., auch Vereine errichteten für die Arbeiter Wohnungen,
Spar-, Vorschuß- und Konsumvereine; aber das genügte nicht. Deshalb
nahm Kaiser Wilhelm sich der Arbeiter an. Von Reichs wegen wurden
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelms Wilhelms Wilhelm Stephan Wilhelm Krupp Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Deutsche_Reich Wilhelmshaven Deutschland Deutschlands Afrika
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ober es können ihm die bürgerlichen Ehrenrechte abgesprochen werden.
Auch Kinder über 12 Jahre stehen schon unter dem Strafgesetz. Der
Staatsanwalt hat die Pflicht, jede ihm bekannt gewordene strafbare
Handlung zu verfolgen.
4. Das deutsche bürgerliche Gesetzbuch enthält Bestimmungen über
Eigentum, Kauf, Miete, Schulden, Familien- und Erbsachen. Mit
dem vollendeten 21. Lebensjahre werden Kinder volljährig; minder-
jährige Waisen erhalten einen Vormund, doch können auch Volljährige
wegen Geisteskrankheit, Verschwendung oder Trunksucht unter Vormund-
schaft gestellt werden. Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle müssen
auf dein Standesamte angemeldet und in das Geburts-, Heirats- oder
Sterberegister eingetragen werden. Die Ehen müssen aus dem Standes-
amte geschlossen werden und werden dann kirchlich eingesegnet. Wer
16 Jahr alt ist, kann ein gültiges Testament errichten.
75. Unsere Stenern.
Manche Staatseinrichtungen, wie Eisenbahnen, Post und Tele-
graphen, bringen mehr ein, als zu ihrer Unterhaltung erforderlich ist;
ihre Überschüsse fließen in die Staatskasse. Andere, wie Heer und
Marine, Gerichte und Schulen, erfordern zu ihrer Unterhaltung große
Summen, die von den Staatsbürgern durch Steuern aufgebracht werden
müssen. Das deutsche Reich unterhält Heer, Marine, Festungen, viele
Beamte, z. B. die Gesandten und Konsuln, und zahlt große Zuschüsse
zu den Alters- und Invalidenrenten. Dafür fließen die indirekten
Steuern in die Reichskasse: die Abgaben von vielen eingeführten Waren
(Petroleum,Tabak, Kaffee,Thee,Reis), vonbier, Branntwein, Wein; ebenso
die Überschüsse der Post-, Telegraphen- und Telephonverwaltnng sowie
der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen. Direkte Steuern erhebt das
Reich nicht. In die preußische Staatskasse fließen die Überschüsse der
preußischen Staatsbahnen, der Domänen, Forsten, Bergwerke, Salinen.
Da diese zur Unterhaltung der Schulen, Gerichte, zur Besoldung der
Beamten nicht ausreichen, so erhebt der Staat direkte Stenern : Stempel-,
Erbschafts-, Lotterie-, Vermögens- und Einkommensteuer. Auch die
Provinzen, Kreise und Gemeinden können Steuern ausschreiben. Die Ge-
meinden erheben Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Betriebssteuer, Schul-
und Lustbarkeitssteuer, außerdem aber meistens noch eine besondere
Kommunalsteuer, deren Höhe nach der Einkommensteuer festgesetzt wird.
Davon besoldet die Gemeinde, z. B. eine größere Stadt, ihre Beamten,
unterhält ihre Gebäude, Schulen, Straßen, Wasser- und Gasleitung,
Kranken-, Armen- und Waisenhäuser. — Auch manche Kirchengemeinden
erheben Steuern.
76. Die Sandesvermaltung in Preußen.
1. Die staatliche Verwaltung. Unser König Wilhelm Ii. hat sich
den ersten Diener des Staates genannt, und in' gewissenhafter Pflicht-
erfüllung ist er allen Staatsdienern ein Vorbild. Alle wichtigen Sachen
entscheidet er selber; aber zur Bewältigung der vielen Arbeiten bedarf
er der Hülfe. Die höchsten preußischen Beamten sind die nenn Minister,
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]